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brazine sonderausgabe nr. 9, 15.10.2004
(c) Text und Bilder: www.brazine.de
Der Kampf den man macht ist Kunst
Der Kampf den man führt ist Leben
ANGELITA KASPER & CHRISTINA LITRAN
Knapp sechzig Jahre nach ihrer Legalisierung in Brasilien gilt die Kunstsportart Capoeira als „Ikone der Darstellung des Landes“. Die Capoeiristas, die heute im Ausland leben und arbeiten, werden als „echte Botschafter der brasilianischen Kultur“ angesehen. Dies sagte der brasilianische Kulturminister Gilberto Gil als er am 19. August in Genf die Grundpfeiler des nationalen und weltweiten Capoeiraprogramms verkündete. „Capoeira symbolisiert kulturellen Widerstand und soziale Brüderlichkeit, wird in mehr als 150 Ländern praktiziert und kann zu einem der großen Beiträge Brasiliens in der Welt gezählt werden“, sind Worte von Gilberto Gil. Ziel des Kulturministeriums ist es, ein partizipatives Programm basierend auf den Forderungen und Bedürfnissen der Capoeiristas in Brasilien und im Ausland zu schaffen. Allerdings sind einige Vorschläge bereits entworfen, wie die Errichtung eines internationalen Referenzzentrums in Salvador, die Einführung von Capoeira als sportliche und kulturelle Betätigung in Schulen und eine spezielle Vorsorge für die Capoeiristas. Des Weiteren soll die Regierung sich um die Schaffung von öffentlichen Aushängen bemühen, bei denen Projekte gefördert werden, in denen Capoeira als ein Staatsbürgerschaftsinstrument funktioniert und zur sozialen Integration beiträgt. Außerdem soll es einen jährlichen Kalender geben, indem nationale und internationale Ereignisse enthalten sind. Abschließend haben die Regierung und die Programmteilnehmer vor, diplomatische Unterstützung der Capoeiristas im Ausland zur Verfügung zu stellen.

Professor Daniel Barbosa, Grupo Capoeira Berimbau (Movimento: Parafuso)
Um die Forderungen und Bedürfnisse der Capoeiristas in den deutschsprachigen Ländern zu sammeln und publik zu machen, hat Brazine ein Interview am 5. September in Berlin organisiert. Viele Meister, Lehrer und Schüler beteiligten sich an der Befragung. Die Fragen wurden ebenfalls durch das Internet verbreitet und viele Vertreter der Capoeira aus der ganzen Welt nahmen an der Diskussion teil. Dabei wurde festgestellt, dass allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz ungefähr fünfzig Gruppen Capoeira professionell entwickeln. Kursangebote, Schulen, Workshops, internationale Treffen und Vorführungen nehmen immer mehr zu. „Capoeira wird in diesen Ländern sehr positiv aufgenommen. Die Menschen sind von der Schönheit der grazilen Bewegungen, vom Rhythmus, der Musik, vom Gesang, der Magie und des Mystizismus fasziniert“, bestätigt Léo Gonçalves, Meister der Capoeiraschule Capitães de Areia in Berlin. Zahlreiche Aussagen spiegeln Gonçalves Meinung wieder. Rivair Maciel Paulino der Gruppe Alvorada aus Köln versichert, dass Capoeira hier manchmal sogar mehr als in Brasilien geliebt, verehrt und respektiert wird. Auch die deutsche Capoeirista Susy Österreicher, Mitführerin der Akademie Jangada in Berlin, ist der Ansicht, dass Capoeira hier mit sehr viel Liebe und Respekt bekannt gemacht wird. Das Angebot für Capoeira wächst und die Meinung derer, die es praktizieren, ist eindeutig: in den deutschsprachigen Ländern kann sich Capoeira zu Hause fühlen. Aber wie entwickelt sich die Arbeit der Capoeiragruppen in diesen Ländern? Was halten die Capoeiristas, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz wohnen, von dem Förderprogramm des brasilianischen Kulturministeriums?
Eine historische Verspätung Meister Léo Gonçalves kam 1986 in die deutsche Hauptstadt. „Ich habe 13 Ernennungen und 5 Festivals in Deutschland erlebt. Seit 10 Jahren nehme ich mit meiner Gruppe am Karneval der Kulturen in Berlin teil. Wir haben noch nie irgendeine Hilfe von einer brasilianischen Organisation bekommen. Trotzdem ist es jedes Jahr ein Erfolg. Die Capoeirameister sind in der ganzen Welt unterwegs, stehen ihren Schülern zur Verfügung, organisieren und werben für Veranstaltungen. Außerdem engagieren sie sich überall für karitative Vorführungen und verbreiten die afrobrasilianische Kultur. Das ist schon eine super Leistung“, sagt er. Bei vielen Capoeiristas rufen „offizielle“ Organisationen, die Capoeira fördern sollen, und das (fehlende) Engagement der Botschaften für Capoeiristas im Ausland vorerst ein negatives Bild hervor. „Ich glaube, dass das Vorhaben, dieses Programm ins Leben zu rufen, nur Propaganda ist“, meint Daniel Barbosa, Lehrer im Großraum Frankfurt. „Ein Großteil der Capoeiristas hat schon auf irgendeine Weise unter der Politik gelitten. Irgendeines dieser Programme hat hervorgebracht, dass alle Capoeiristas eine Sportprüfung machen müssen, um professionell anerkannt zu werden. Solche Programme bringen keine Vorteile, sondern Bedigungen“, erklärt Barbosa. In Brasilien ist bereits schwierig genug, im Ausland kommen andere Herausforderungen auf ihn zu. „In der Tat müssen wir uns immer bemühen, die Verbindung mit Brasilien zu halten“, betont Mestre Laércio dos Anjos Borges, der seit 1993 in Deutschland lebt und Mitbegründer der Brasilianischen Vereinigung für Capoeira Angola ist, „Deshalb ist jede Unterstützung will kommen“. Meister Watutsi, der Capoeira in Hamburg unterrichtet, hat zu diesem Thema folgende Meinung: „An erster Stelle soll das Kulturministerium den Anteil der „diplomatischen Unterstützung“ festlegen, der an die Capoeiristas geht, die im Ausland leben. Demnach wäre es sinnvoll unsere Forderungen festzulegen. An vielen Stellen benötigen wir Hilfe. Wenn die Konsulate und Botschaften bemächtigt sind uns zu helfen, zu unterstützen, zu fördern und anzuerkennen, dann sollen sie das auch tun. Sie sollen hierher kommen und uns zuhören“, bekräftigt Watusi.
Die Legalisierung der ausgebildeten Lehrer in Capoeira außerhalb Brasiliens war eine viel diskutierte Frage während des Treffens in Berlin. Nativa, von der Gruppe Abadá, hebt hervor, dass es sehr wichtig ist, dass sich die Politik in bestimmten Punkten für die Capoeiristas einsetzt. Wichtig wäre ein Visum für die brasilianischen Capoeiristas, die legal im Ausland arbeiten wollen und die afrobrasilianische Kultur über die Landesgrenzen hinaus vermitteln wollen. Carlinha Viana, eine der Verantwortlichen für das Funktionieren der Gruppe Angola Mãe aus Köln, erinnert daran, dass viele Capoeiristas durch eine Legalisierung einen Anspruch auf Grundrechte, wie Rente und Krankenversicherung hätten. Sie fügt hinzu, dass jeder Sportler, ob er gut oder schlecht ist, diese Rechte hat. Aber soll Capoeira bloß als ein Sport angenommen werden?
Interne Diskussionen- Bei der Festlegung der Forderungen in eigener Sache zeigt sich die lokale Capoeiragemeinschaft wie sie sich selbst annimmt, wie sie organisiert ist und wie die Gruppen dieser Länder miteinander kooperieren. Diese Themen ins Leben zu rufen könnte wichtig sein, denn Organisation stärkt die Gemeinschaft. Außerdem verbessert sie ihre Aktionsmöglichkeiten und die Chancen Unterstützung aus Brasilien zu bekommen. Trotzdem sagt uns Léo Gonçalves ganz deutlich: „Hier entwickelt jede einzelne Gruppe ihre Arbeitsmethode und verteidigt ihr Gebiet. Es gibt viele eigenständige Gruppen und jede hat ihre eigene Philosophie, die vom Meister kommt.“ Der Meister der Gruppe I.U.N.A. (Irmãos Unidos das Nações Africanas) Saulo Gomes erklärt das Gegenteil. „Obwohl es verschiedene und nicht nur eine Capoeiragemeinschaften gibt, ist die Beziehung zwischen den Gemeinschaften gut. Konfliktpunkte gibt es, aber nicht weil wir Capoeiristas sind, sondern weil wir Menschen sind. Konflikte treten aber in allen Bereichen auf. Die Mehrheit ist aber bereit zu kooperieren“, sagt er. Carlinha Viana aus Köln fügt hinzu, dass es wie in jeder anderen Gemeinschaft Gruppierungen gibt. „Einige isolieren sich, andere sind sehr engagiert, wieder andere offensiv. Dann gibt es die Gruppen, die sehr kritisch sind und wieder welche, die einfach anders sind”, schreibt sie. Natürlich könnte die Kooperation zwischen den Gruppen besser funktionieren. Aber wie? Das ist eine gute Frage. Wir müssen diese Frage nicht lösen, sondern nur die Capoeiristas. „Capoeira muss sich noch weiterentwickeln. Dabei könnte die Rationalität der europäischen Kultur helfen. Aber wir sollten den Gedanken von einer statischen Organisation nicht verinnerlichen. Capoeira ist schon von den Capoeiristas organisiert“, bringt Sandra Bello auf den Punkt, die bereits Capoeira gespielt hat. Watutsi spricht sich für eine Kommission oder eine Regelung aus, die die Arbeit der Gruppen im Ausland besser koordiniert und leitet. Watutsi stuft dies als sehr notwendig und dringend ein. Gleichzeitig sieht er aber auch, dass dies auf internationaler Ebene eine sehr komplexe Aufgabe ist. Auch Rivair aus Köln ist der Meinung, dass eine Regelung geschaffen werden muss. Der Lehrer möchte 2005 ein erstes internationales Capoeiratreffen in seiner Stadt organisieren. „Ich glaube, dass eine Regelung die Qualifizierung der Lehrer verbessern könnte. Es wäre hilfreich, wenn die Meister, die nur alleine arbeiten, auf großen Veranstaltungen zusammenfinden“, erklärt Rivair. Lauro Vinhático, Lehrer „Kojak“ der Gruppe Artes das Gerais aus Berlin denkt, dass Capoeira frei ist und nicht kontrolliert werden muss. „Aber man sollte die erfolgreichen Methoden von denen, die die Routine des Capoeiralehrens im Ausland kennen, als Beispiel nehmen“, fügt er hinzu. Sydney Martins, der als Meister Fumaça bekannt ist, hebt hervor, dass es wichtig ist, einen regionalen Rat zu schaffen. „Alle diejenigen, die sich mit Capoeira länger auseinandersetzen, wissen welche Bedürfnisse die Beteiligten haben. Die Leute müssen besser organisiert werden. Außerdem sollten wir in jeder Stadt einen Repräsentanten haben. Wir sollten nicht darauf warten, dass jemand das für uns tut. Wir können das doch selber machen, bevor es zu spät ist.“ Die Schlussworte von Syndey Martins lassen Raum für weitere Diskussionen. So geht das Treffen in Berlin zu Ende.
Seit dem 16. Jahrhundert brachten portugiesische Kolonisatoren Schwarze nach Brasilien, die dort als Sklaven arbeiten sollten. Vor allem Bahia, Pernambuco und Rio de Janeiro waren die Ankunftsorte für mehr als 2 Millionen Schwarze. Einige Forscher vertreten die Meinung, dass Capoeira in den Quilombos entstand. Die Quilombos sind Territorien, in denen Schwarze lebten, die sich gegen die Sklaverei auflehnten und flüchteten.
Demzufolge entwickelten die Schwarzen eine Reihe von Bewegungsabfolgen, um sich zu verteidigen, dabei brachten die Sklaven, die einmal die Flucht in die Quilombos geschafft hatten, aber wieder gefasst worden waren, die Schritte den in Gefangenschaft lebenden Schwarzen bei. Damit keiner bemerkte, dass sie im Grunde kämpften, übertönten die Schwarzen die Schläge mit Musik und der Ginga, dem Tanzgrundschritt der Capoeira. Sie wollten den Großgrundbesitzern vortäuschen, dass sie doch eigentlich nur tanzten.
Letztendlich verbreitete sich die Capoeira weit über die Quilombos hinaus. 1891, drei Jahre nach der Abschaffung der Sklaverei in Brasilien, wurde die Capoeira verboten. Jahrzehnte lang wurde der Eindruck erweckt, dass der Kampf nur am Rande stattfand und die Capoeiristas Verbrecher waren. 1930 trat die Capoeira, durch offizielle Vorführungen von Manuel dos Reis Machado (Meister Bimba) aus dem Untergrund hervor. Der Präsident Getúlio Vargas legalisierte 1945 durch einen Gesetzeserlass die Capoeira.

Professor Daniel Barbosa, Grupo Capoeira Berimbau
Heutzutage wird sie weltweit von Menschen unabhängig von Alter, Herkunft und sozialer Schicht praktiziert und gewinnt immer mehr an Bekanntheit und Wichtigkeit. Viele denken, dass Capoeira nur darin besteht, sich im Kreis zusammenzustellen und einige Bewegungen zu machen. Dabei werden in typischer, meist weißer Kleidung Klänge mit den Musikinstrumenten Pandeiro und Berimbau erzeugt. Wer aber diese Praxis kennt und ausübt, weiß dass Capoeira viel mehr zu bieten hat und verschiedenartig ausgearbeitet wird. Die zwei am meisten gespielten Arten von Capoeira sind die Capoeira Angola (die traditionellste, kann auf ca. 400 Jahre Geschichte zurückblicken, ihre Leitfigur ist Meister Pastinha) und die Capoeira Regional (in den dreißiger Jahren vom Meister Bimba gegründet).
Es ist trotzdem interessant zu sehen, wie sich seit einigen Jahrzehnten eine neue Capoeiraart entwickelt hat: die sogenannte „zeitgenössische Capoeira“. Dazu werden alle Entwicklungen der letzten fünfzig Jahre gezählt, die sich in irgendeiner Form von den zwei großen Richtungen unterscheiden. Darunter fallen Mischungen mit Kampfsportarten (wie dem Boxen), mit Tanz (wie dem Breakdance), die Hydro-Capoeira, die Soma-Capoeira, die Capoeira-Show und alle anderen, die nicht reine Capoeira Angola und Capoeira Regional sind. Die Kleidung der Capoeira Angola ist gelb und schwarz und die Angoleiros (Meister, Contramestres und Schüler) sind sehr mit dem Candomblé verbunden, einer afrobrasilianischen Religion. Viele Capoeiristas halten die Capoeira Angola für langsamer und weniger agressiv. Die Tritte sind tiefer und die Hände werden mehr am Boden benutzt. Schon die Capoeira Regional übernahm bunte Gürtel (um die Niveaus zu kennzeichnen), die weiße Farbe für die Spielerkleidung, ein rigoroseres Ausbildungssystem, und Elemente anderer Kämpfe wie Judo und Karate. Infolgedessen finden viele, dass die Regional eine modernere und sportlerischere Capoeira ist, deren schnellere und akrobatische Bewegungen sogar bei den olympischen Spielen sein sollten.
&Die Angoleiros fügen mehr Kultur, Philosophie und Religion dem Capoeira hinzu. Die 'Regionalen' nehmen die Tätigkeit mehr als Sport und Spaß“, sagte die Capoeirista und Forscherin Rosângela da Costa Araújo bei einer Konferenz in der Universität Brasília. Andererseits bestätigt Meister Saulo Gomes, dass „die Philosophie der Capoeira Regional widerspricht nicht der traditionellen Capoeira. Wir versuchen nur so bescheiden wie möglich zu sein“, meint er, dessen Gruppe I.U.N.A., die 1974 in Rio gegründet wurde, in Deutschland, Spanien und Italien auch anwesend ist. Um zu zeigen, dass Capoeira Angola und Capoeira Regional eigentlich den gleichen historischen Hintergrund haben und am gleichen kulturellen Universum teilnehmen, haben Meister Saulo (Regional) und Mestre Laércio (Laércio) Capoeira für Brazine gespielt. Beide sind respektierte Figuren unter den Capoeiristas in Deutschland. Wie sieht es bei Capoeira mit der Gleichberechtigung aus?
Viele Frauen, auch die Contrameisterin Janja Araújo aus São Paulo (die mit der Gruppe Filhos de Angola einen Workshop in Berlin vom 22. - 24. Oktober durchführt) und Gildete Simon, die einzige Capoeira-Lehrerin der Berliner Gruppe Topázio, weisen auf die Diskriminierung und den Machismo in der Capoeirakultur hin. Watutsi bestätigt dies, wenn auch nur indirekt, während unseres Interviews in Berlin. Watutsi nimmt die Capoeirista Maria Homem zum Beispiel, die er als Kind kennen gelernt hatte. „Sie machte immer einen Knoten in ihren Rock und machte bei der Capoeira mit, bei der sich alle im Kreis zusammenstellen um zu spielen, Musik machen und singen. Aber nur zwei Meister ließen sie mitmachen“, erzählt er uns. „Hier in Europa gibt es sehr viele Frauen, die an Capoeira interessiert sind und auch ich musste erst einmal damit zurechtkommen“, sagt er. Es gibt Menschen, die die Geschlechtervorurteile bei der Capoeira als etwas Natürliches ansehen. „Eine Frau ist eine Frau und ein Mann ein Mann. Wie soll ich denn einer Frau ein Bein stellen? Das erlaubt mir mein Herz nicht“, sagt Saulo. „Ich finde es normal, weil ich andere physische Bedingungen habe“, meint Genilda Gomes. Andere sprechen von gleichen Verhältnissen:
&Mein Meister hat immer gesagt, dass wenn einer hinfällt, dann muss der andere auch hinfallen. Hinfallen und Aufstehen“, sagt Bello. Gonçalves betont, dass die Frau dabei ist sich ihren Raum in der Capoeira zu erobern, „aber sie muss härter kämpfen als ein Mann“. Kämpfen vor allem für eine (brasilianische) Meinungsänderung, damit akzeptiert wird, dass Frauen des 21. Jh. Capoeira praktizieren und unterrichten können. Allgemein weiß man, dass Capoeira gerade für Kinder sehr förderlich ist, für die motorische Koordination, Flexibilität, Haltung und den Muskelaufbau. Kinder erlernen durch Capoeira Disziplin, Gruppendynamik und verbessern die Kommunikation. Außerdem lernen sie Theater spielen, Tanzen und Musik machen. „Capoeira ist sehr erzieherisch. Kinder lernen miteinander und nicht gegeneinander zu spielen“, erklärt Sidney Martins und gleichzeitig hebt er die pädagogische Seite dieser Kindererziehung hervor und weist darauf hin, dass man für diese Aufgabe Umsichtigkeit, Talent und Geduld braucht. „In Brasilien bewahrt Capoeira manche Kinder sogar vor einem Leben auf der Straße, Drogen und Verbrechen“, erinnert Gildete Simon dos Santos, eine Capoeirista, die in Berliner Schulen unterrichtet. Gonçalves erwähnt, dass die Arbeit mit Kindern sehr positiv ist. „Capoeira gibt den Kindern ein Selbstwertgefühl, das jeder braucht um sich in einer Gemeinschaft integriert zu fühlen.“
Capoeira erobert die Welt. Dieser Kulturtransfer ist ein Aspekt der Globalisierung und hat positive sowie auch negative Seiten. Natürlich wirft Capoeira Gewinn ab, am meisten in Ländern, in denen sich die Praxis verbreitet und seit Jahren beliebt ist. Ein reflektiertes und reifes Verhalten ist für einen Capoeirista unabdingbar. „Ich habe nichts gegen die Tatsache, dass Capoeira zu einem weiteren Exportprodukt neben Samba und der schönen Frau wird“, bekräftigte Daniel Barbosa, Lehrer der Gruppe Berimbau. „Kulturexport ist immer ein Gewinn für alle“, sagt die Capoeira-Lehrerin Gildete Simon dos Santos. Die schlechte Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt ist Besorgnis erregend und geht einher mit dem ungebremsten Wachstum dieser Sportanhänger. „Capoeira ist heute sehr kommerziell und wird in Zukunft noch kommerzieller. Es gibt viele Brasilianer, die nach einem Flug auf einmal Capoeirameister in Europa werden. Dann gibt es noch die Ausländer, die für das Unterrichten nicht die genügenden Qualifikationen mitbringen, es aber trotzdem tun. Sie sehen nur die finanzielle Seite, respektieren die Regeln nicht und handeln nicht verantwortungsbewusst", schrieb der Meister Léo Gonçalves. Für ihn ist die größte Verantwortung eines Capoeiristas, ein großer Erzieher zu sein und ein Bewusstsein für die afro-brasilianische Kultur zu haben. Letztendlich ist das Exotische nur dann reizvoll, wenn es seinen ursprünglichen Sinn behält und der ursprüngliche Sinn der Capoeira kennt weder Preis noch Geld.
„Ich habe nie in den Büchern gelesen, was ich von meinen älteren Verwandten gehört habe. Diese Verwändte waren Geisterpriester oder sogar große Meister, und hatten noch die Gelegenheit von den Sklaven Capoeira zu lernen.“
George Watutsi
„Jeder Capoeirista muss lernen seinem Meister oder Lehrer zuzuhören und ihn zu respektieren. Der Weg zum Meister ist lang und bedeutet Erfahrung, Geduld und viel Weisheit.“
Rivair Maciel Paulino
„Die Ausbildung in der Capoeira entwickelt sich mit dem Gefühl, mit dem Engagement. Es ist wie bei der Malerei: Ein Maler wird erst zum Meister, nachdem er viel in seinem Leben gemalt hat. Es ist ein ganz natürlicher Ablauf. Wenn jemand in der Capoeira gute Leistungen bringt, werden ihn die anderen Meister und die Gemeinschaft auf seinem Weg begleiten.“
Laércio dos Anjos Borges
„Capoeira ist jedem gegenüber offen, denn jegliche Form des Ausschlusses und der Ausgrenzung ist der Mentalität des Capoeira fern.“
Sydney Martins
„In der Philosophie des Capoeira gibt es keine Diskriminierung sondern verschiedene Körperkonditionen. Wenn der Mann kleiner als ich ist, greife ich ihn auch nicht an.“
Anja Wurth
„Ich kenne deutsche Capoeiralehrer, die ganz andere Vorstellungen haben als Brasilianer. Es ist schwer einen brasilianischen Lehrer zu finden, der jemanden respektiert, der mit mehr als 35 Jahren mit Capoeira anfängt. Einige der deutschen Lehrer, zumindest einige, die ich kenne, akzeptieren das. Sie bezeichnen diese Anfänger sogar als ihre Zielgruppe.“
Daniel Barbosa
„Capoeira hat nichts zu verlieren. Außerhalb Brasiliens haben sich die Capoeiristas schon eine Welt aufgebaut. In den Industrieländern wird Capoeira seinen Weg gehen, unabhängig von dem was Brasilien sagen will.“
Jerônimo (Austrália)
„Capoeira kann nicht ihre Lässigkeit, ihre Hexerei oder ihre Hinterhältigkeit zur Seite lassen. Es ist eine vollständige Kunst, die sich nicht umwandeln lässt. Capoeira ist die Sprache des Körpers für das Volk, die wahre Ausdrucksform für Freiheit, die jeder braucht, um auf dieser Welt leben zu können."
Léo Gonçalves
„Capoeira kann seine Wurzeln nicht verlieren.“
Susanne Österreicher
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